Film im digitalen Zeitalter
Seit kürzlich fotografiere ich auch noch mit einer 6×17 Panorama-Grossformatkamera, der Linhof Technorama 617s III. Das kann in der heutigen Zeit durchaus etwas seltsam klingen. Diese Kamera ist aufgrund der sehr grossen Bildfläche in einem solchen Panoramaformat auch wirklich beeindruckend. Deshalb zur Veranschaulichung dieses Titelbild wenn ich diese Kamera vor dem Kopf halte.
Warum eigentlich noch Film im digitalen Zeitalter?
Film ermöglicht grundsätzlich genau so viel Kreativität wie alles Digitale, aber die Technologie in den Kameras ist spartanisch und lässt einem noch mehr auf das Bild konzentrieren. Es hat einen positiven Nebeneffekt, dass man nicht mehr um Verbesserung der Ausrüstung Sorgen machen muss. Es gibt keine Updates, oder eine neue Kamera mit noch mehr Auflösung oder anderen technischen Neuerungen oder sonstige Verbesserungen. Es gibt einzig gewissen Nervenkitzel, wenn man ein Bild aufnimmt und nicht genau weiss, ob alles geklappt hat bis es entwickelt und digitalisiert wird.
Film ist also eigentlich nichts für schwache Nerven. Es kann eine Herausforderung sein, mit unseren gesellschaftlichen Bedürfnissen nach sofortiger Befriedigung Schritt zu halten. Wenn es um einen Standpunkt der reinen Leichtigkeit geht, würde sich jeder mit Sicherheit von einer analogen Kamera abwenden oder nie mehr zurück gehen wollen. Aber leicht haben geht immer. Auch deshalb ist die Welt mit Bildern wie nie zuvor überflutet. Wohl nur wenige werden die Herausforderung solcher zusätzlichen Schritte und Hürden für diese Art Fotografie in der digitalen Zeit auf sich nehmen. Aber die wenigen, die es wagen, werden wahrscheinlich mit wundervoller Erfahrung belohnt und wenn gut gemacht, mit Bildern die im besten Fall hervorstechen.
6×17 Bildformat
Dieses Bildformat ist ideal für lange Panoramabilder. Es bringt Details wie Grossformate. Dieses Seitenverhältnis ist etwas das man bewusst anwenden muss und wird niemals in allen Situationen funktionieren. Aber das ist ja überall so. Die Möglichkeit, ein Panoramabild durch einen Sucher zu sehen, ist im Vergleich zum Zusammenfügen mehrerer Dateien mit einem digitalen Bild wunderbar. Die Landschaft bekommt ein ganz anderes Aussehen, wenn man sie bereits durch den Sucher so betrachtet, und da diese Kamera einen separaten Sucher hat, kann ich damit ohne Kamera herumlaufen und bereits Kompositionen finden.
Selbstverständlich verwende ich nach wie vor meine digitale Mittelformatkamera (Fujifilm GFX 50s), die mich mit einigen der besten Leistungen verwöhnt hat, die eine solche Kamera heutzutage für die Landschaftsfotografie bieten kann. Unter anderem dank dieser habe ich dieses Panoramaformat richtig kennen- und lieben gelernt. Auch wenn das digital sehr effizient und bestimmt einfacher geht, bin ich der Meinung, ein formatfüllendes Original Panoramaformat ist nochmals anderes in der ganzen Herangehensweise. Das war einer der Überlegungen, weshalb ich mich für eine solche Kamera interessierte. Zudem gibt es im digitalen Bereich auch heute nichts vergleichbares. Gerne erwähne ich also ein paar Gründe, weshalb das Filmformat für mich und gerade mit so einer 6×17 Kamera auch noch heute seine Stärken hat.
- Ich hatte stets die Vorstellung, dass Fotografie einen Moment darstellen sollte. Ich mag den Gedanken, dass meine Bilder die Welt vor der Kamera darstellen, eine Welt, die für immer festgehalten wird, wenn ich den Verschluss am Ende der Belichtung schliesse. In meinem Fall sind es Landschaftsaufnahmen, die ich so fotografiere wie ich sie mit meinem Auge sehe und erlebe.
- Es ist viel einfacher, wenn die Komposition für ein Panoramabild bereits im Sucher gesehen wird, als im Nachhinein viele vertikale Aufnahmen zusammenzufügen. Deshalb finde ich solche Aufnahmen bringen vielfach eine stärkere Komposition mit sich. Es ist wohl aber auch so, dass global gesehen nur Profi-Fotografen und Panorama-Enthusiasten, eine solche spezielle Art Kamera bewusst verwenden. Natürlich gibt es auch viele langweilige 617 Aufnahmen und viele brillante digital zusammengesetzte Panoramen. Ich persönlich bevorzuge aber generell immer Einzelaufnahmen. Gerade solche Panoramen wirken dadurch natürlicher und ohne Verzug.
- Hier folgt gleich die nächste Stärke. Ein grosser Vorteil des 617-Filmformats, verglichen mit digitalen Stitchen, ist die Möglichkeit, bewegliche Elemente direkt im Bildrahmen einzufangen. Bewegen sich Wolken, Wasser, Wellen gegen die Küste, Bäume oder ein Blumenfeld in der Brise etc. ist die einfachste Möglichkeit, das auf Panorama zu erfassen, mit einem einzelner Aufnahme. Verwendet man Stitching ist alles um einiges komplizierter und viel weniger berechenbar.
- Ein weiterer Punkt ist etwas, das die Sprache jener eingefleischten Grossformatfotografen an folgendes erinnert: mit einer völlig manuellen Filmkamera ohne Schnickschnack zu arbeiten, schärft auch die Fähigkeiten als Fotograf und zwingt einem, langsamer zu denken und arbeiten. Klar geht das auch bis zu einem gewissen Bereich digital. Trotzdem ist es mit einer solchen Kamera nochmals anders. Mit dieser Kamera und einem 120er Film, belichtet man gerademal 4 Bilder! Man überlegt also immer 2 Mal vor dem Auslöser betätigen. Bewaffnet mit einem präzisen Belichtungsmesser muss man definitiv mehr Dinge vor dem Auslösen beachten. Dieses träge oder langsame Arbeiten als Vorteil sehen, da bin ich wohl eher die Ausnahme. Denn ich mache keine Landschafts-Reportage, sondern suche DAS eine Fine Art Bild, das mich begeistert und für Grossformatige Drucke geeignet ist. Mit modernen Kameras ist es definitiv schneller und ganz bestimmt auch effizienter. Das ist an einem Punkt schön und kann dazu führen, dass Bilder aufgenommen werden, die sonst vielleicht sogar unmöglich wären, aber gleichzeitig verliert man auch etwas Kontrolle. Ganz bestimmt macht man damit deutlich weniger Bilder.
- Die Natürlichkeit und Anmutung des Films mit einem solch grossen Format. Der Film wird wohl immer etwas anders sein, verglichen mit einem digitalen Format. Er strahlt etwas mystisches und zeitloses aus.
- Die Auflösung (Megapixel) sowie die darin vorhandenen Details. Das ist wirklich der Wahnsinn. Nimmt man den grössten heute verkauften Mittelformat-Sensor mit 100 MP und man bezahlt in etwa den Preis eines Mittelklassewagens. Um die gleiche Auflösung und Druckgrösse wiederzugeben, die ich mit einer gescannten 617-Negativ in einem optimalen High-End Prozess mit dem Scannen erhalten kann, brauche ich eine ca. 300 Megapixel Kamera! Kombiniert man ein solch grosses analoges Format mit einer optimalen Technik um es zu digitalisieren, erhält man Daten, die einem ins Staunen bringen.
- Unabhängigkeit von Batterie, Akku usw…: Die Linhof Technorama 617s III ist eine vollmechanisches Präzisionswerkzeug. Sie ist robust gebaut wie ein Panzer und dafür gedacht ein Leben lang zu begleiten. Sie braucht keine Batterie oder sowas ähnliches um zu funktionieren. Alles funktioniert manuell.
- Manchmal ist es wie immer wieder Geburtstag zu haben. Denn bevor man seine aufgenommenen Bilder das erste Mal zu Gesicht bekommt, vergeht meist noch einige Zeit. Die Spannung ist jedes Mal da. Man erinnert sich noch an den Sonnenaufgang und denkt dann ob es wohl richtig belichtet wurde usw. Und dann ist es soweit und die Bilder leuchten auf dem Bildschirm. Allein der Prozess bis dahin lässt das Bild noch einmal mehr im eigenen Gedächtnis abrufen und gibt dem eine entsprechende Wertigkeit.
Vermutlich könnte man denken, ich will etwas verkaufen oder spinne sonstwie… Nein das ist nicht meine Absicht. Ich ich bin nur ehrlich und sage ebenso, dass es auch einige deutliche Nachteile für ein solches System gibt. Sie müssen nicht gross sein, aber für die Allermeisten gross genug um aus der heutigen Sicht so etwas überhaupt je anzuschauen. Ich nenne hier ein paar davon in Kurzfassung:
- Die Kosten. Ja, die Kamera ist noch immer etwas teuer, auch als Occasion. Ausser Linhof gibt es heute kein Hersteller mehr, der eine solche Kamera noch fertigt. Sie machen absolute technische Meisterwerke, aber sie haben ihren Preis. Dann addiert man noch die Filmkosten und die Entwicklungskosten, Scanner für Digitalisierung usw, dann kommt man tatsächlich auf eine Menge Geld.
- Sich an die digitale Welt zu gewöhnen, macht das Handling mit einer analogen Kamera gar nicht einfach. Eine 617 Panoramakamera ist wie schon erwähnt eine hundertprozentige manuelle Kamera. Man kann einzig 4 Bilder pro Rolle fotografieren und weiss nie, ob die Belichtung in Ordnung war. Sind es Bilder für die man vermutlich nur einmal die Gelegenheit hat, weiss man nie ob es auch wirklich sauber gelungen ist. Das kann durchaus beunruhigende Gedanken geben. Hier gilt es einfach umso mehr präzis und konzentriert Arbeiten.
- 617 Kameras sind gross und schwer. Natürlich wenn man einzig diejenige mit einem Objektiv mitnimmt ist es ertragbar.
- Es gibt hier keine direkte Sicht durch das Objektiv. Man wirft einen Blick durch den abnehmbaren Sucher und muss immer noch etwas Parallaxen-Effekt einkalkulieren. Auch hier ist etwas Erfahrung nötig.
- Um zu fotografieren braucht es den Film. Es kann natürlich auch sein, dass plötzlich einer der geliebten und oft verwendeten Filme nicht mehr hergestellt werden. Mit diesem Gedanken oder Risiko muss man leben. Dann heisst es eben besser anfangen einen Stock aufzubauen. Doch grundsätzlich wird es wohl noch einige Zeit Filme geben.
Also, was ist das Beste? Wie immer in der Fotografie hängt alles von seinem Stil, der Erfahrung, der Situation, den Vorlieben ab… und ein grosses Wort heisst: Kompromiss. Das Leben ist meistens voller Kompromisse, und das gilt ebenso für die Fotografie. Es gibt nichts kostenlos, und es liegt an dem Fotografen zu entscheiden, was zu einem bestimmten Moment am besten zu ihm passt. Ich würde meine beiden Kameras für nichts auf der Welt eintauschen. Beide sind in Ihrer Art gigantische Werkzeuge und bringen atemberaubende Bildqualität hervor – sofern ich als Fotograf dahinter alles richtig mache. Was auch immer passieren mag, auf jeden Fall ist es sicher, dass sich Technologie und Werkzeuge ändern, aber die Fotografie wird gleich bleiben!
…damit dieser Beitrag nicht ganz Bildlos bleibt zum Schluss noch ein Panorama von einem weltbekannten Berg.
Zu der Geschichte dieses Bildes: Es war das einzige Bild das ich an diesem Morgen in dieser Szenerie gemacht habe. Vorher wartete ich vergebens über eine Stunde im dichten Nebel, um einen Blick auf das Matterhorn zu haben. Als sich dann doch noch eine Lichtlücke abzeichnete, stellte ich nochmals alles genau ein und löste zum idealen Zeitpunkt aus. Kurz darauf war das Matterhorn bereits wieder im Nebel verschwunden. Panorama-Einzelaufnahme mit der Linhof 6×17, Blende f22, 1/15 sek. Das Bild hat eine Auflösung von ca. 300 Megapixel.
Pingback: Urner Gold – reto savoca
Deine Begeisterung und die Freude für deine Leidenschaft ist wunderbar!
Schön dies zu verfolgen und sehen, wie du dich selber ständig weiter antreibst und immer noch steigern kannst! Und darum werde ich mit grossem Interesse deinen weiteren Weg (sowohl analog und digital) verfolgen!
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Liebe Rita. Herzlichen Dank für dein Lesen und Interesse! Natürlich freue ich mich immer wenn du mein Weg und die Fotografie weiterhin verfolgst :-).
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Wenn man mit voller Leidenschaft bei etwas dabei ist, wirkt es meistens so, als würde man etwas spinnen, aber genau das ist gut so 🙂
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oh ja das ist wohl wahr! Danke sehr für dein Interesse Carole. Lg, Oli
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Man spürt aus Ihren Worten und aus dem Bild, dass Ihnen die Fotografie wirklich am Herzen liegt. Chapeau !!!
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Ja das ist genau so!:) Danke sehr für das schöne Feedback!
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danke für diesen sehr philosophischen Betrachtungswinkel der Fotografie..
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immer gerne. Wenn du etwas mitgenommen hast, umso schöner:).
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Ganz genau so und kein wenig anders….
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yeah!!… :). Danke Hampi für alles!
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